Haar – Ort der Spiele und Spione

Nicht selten wird Spionage als ein Spiel bezeichnet, in dem es darum geht, den Gegner auszutricksen. Wie es der Zufall manchmal so will, treffen echtes Spiel und echte Spionage ungewollt aufeinander. So auch in einer eher unscheinbaren Gemeinde in Bayern. Haar ist ein Ort, der mit seinen 21.000 Einwohnern direkt an den Stadtteil München-Trudering angrenzt. Eine Gemeinde in einem Ballungsgebiet, wie sie es in Deutschland zu Tausenden gibt. Doch Haar kann zwei Dinge vorweisen, die für einen Vorort eher ungewöhnlich sind. Der größte Teil der arbeitenden Einwohner von Haar macht sich früh am Morgen auf den Weg in die Büros, Industriebetriebe und Werkstätten von München, doch zugleich finden sich etliche Mitarbeiter in der in Haar befindlichen Liegenschaftsverwaltung Pullach, Institut für Nachrichtentechnik ein. Die Bezeichnung Liegenschaftsverwaltung ist der Tarnname für eine Fachhochschule für Spione des BND, des Bundesnachrichtendienstes. Das ist wiederum kein großes Geheimnis, wird aber auch nicht gerade hervorgehoben. In google maps etwa findet sich unter dem Eintrag der Zusatz „Geschlossen“.

Haar beherbergt zugleich das bayrische Spielearchiv. Der eingetragene Verein beschäftigt sich mit der Sammlung und Dokumentation von Gesellschaftsspielen und Literatur über Spiele. Als Vorsitzender des Vereins ist Tom Werneck eingetragen, dessen Vita sich liest wie der getarnte Lebenslauf eines Geheimagenten, aber Werneck ist in der Spieleszene eine sehr bekannte Größe. Der frühere Student der Rechtswissenschaften, Inhaber eines Weiterbildungsinstituts sowie Manager in der Elektronikindustrie verfasste mehr als 5000 Artikel für die Presse und schrieb 40 Bücher, deren Inhalt sich vorwiegend um Spiele dreht. Heute ist Werneck, Jahrgang 1939, nicht nur Leiter des Spielearchivs in Haar, sondern auch ein maßgebliches Mitglied der Jury für das „Spiel des Jahres“.

Internationale Spieleerfinder-Messe in Haar

Einmal jährlich wird vom Spielearchiv e.V. eine Spieleerfinder-Messe ausgerichtet. So auch in 2019 am 15. und 16. März.

Hier können Spieleerfinder an zwei Tagen ihre neuesten Kreationen und Ideen Verlagen und Spieleherstellern vorstellen oder einfach dem Publikum zeigen. Der Verein bietet den Erfindern von Spielen darüber hinaus in vielerlei Hinsicht Unterstützung, angefangen bei der Vermeidung von Anfängerfehlern bei der Spieleentwicklung bis zur Sicherung der Schutzrechte. Die Teilnahme kann sich also durchaus lohnen. Anmelden kann sich zwar jeder, jedoch ist das Platzangebot beschränkt, weshalb es wichtig ist, so früh wie möglich anzufragen, am besten noch vor dem 1. Februar.

Dass diese zwar recht kleine Messe zugleich aber auch eine sehr feine Messe ist, zeigt sich unter anderem an den Spieleverlagen, die regelmäßig ihre Vertreter nach Haar schicken. So etwa der Nürnberger Spielkartenverlag, ASS, Schmidt-Spiele, Kosmos, Ravensburger, Pegasus oder VIA-Spiele. Dementsprechend fanden sich bisher auch immer wieder Spiele-Ideen, die in Haar erstmals vorgestellt wurden, die Auszeichnungen erhielten. Beispielsweise die Kinderspiele der Jahre 2004 und 2002 oder der deutsche Lernspielpreis 2013.

Spione und Spiele

Natürlich ist es Zufall, dass der BND in Haar seine zukünftigen James Bonds ausbildet und gleichzeitig im selben Ort Spiele archiviert, getestet und neu vorgestellt werden. Oder vielleicht doch kein Zufall? Wer sich in der Welt der Geheimdienste bewegt, muss erfinderisch sein, um zu überleben. Mini-Drohnen in Form von Käfern, ausgestattet mit Kameras und Mikrofon, die unbemerkt in Häuser fliegen, gehören längst zum Repertoire der Agenten. Ausgeklügelte Verschlüsselungstechniken ebenso. Nur zwei Beispiele, bei deren Entwicklung ein ausgeprägter Hang zum Spielen und viel Fantasie durchaus hilfreich sind. Warum sollten sich Spione nicht auf dem Feld der Spieleentwicklung herumtreiben, um vielleicht die eine oder andere Idee für die eigenen Zwecke nutzbar zu machen?

Manche Spiele besitzen sogar ganz direkt einen Bezug zur Spionage. Dazu gehört zum Beispiel „Codenames“ des tschechischen Autors Vlaada Chvátil. Das Spiel des Jahres 2016 beschäftigt sich mit der Aufdeckung feindlicher Agenten. Wenn das kein Grund für Spione ist, sich näher mit Spielen zu beschäftigen, was dann? Codenames wurde zwar nicht in der Münchner Vorstadt erstmals vorgestellt, dafür ist Haar für die Pullacher Spionage-Fachleute ganz bequem mit dem Zug oder dem Bus zu erreichen und Abends ist der Geheimagent wieder zu Hause oder gleich im Feindesland, um die Spieleidee einzusetzen. Nur wird der Erfinder nicht davon haben, allerdings dürfte das auch besser sein. Aufgedeckte feindliche Agenten zeigen nur selten Dankbarkeit.

März 2019


Weitere Meldungen in den Archiven:
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